Hallo Evelyn, stell dich bitte kurz vor und erzähl unseren Leser was du bei meinestadt.de machst und aus welchen Projekten die Kolleg:innen dich kennen.
Ich bin jetzt seit September 2019 Teil des Corporate Strategy Teams bei meinestadt.de. Zu meinen aktuellen Themen zählen die Arbeit an unserem Strategy Framework (hier entwickle ich gerade zum Beispiel die People Strategy zusammen mit Marta (Director People & Operations) und dem Team), der Ausbau des Strategy Empowerments (unser Ansatz zur gemeinsamen Umsetzung der Strategie), den Umbau des Strategy Index, die Koordination des Strategy Spotlights und die Koordination des App-Projekts gemeinsam mit Anita (Head of Editorial Content & Local Information.
Vermutlich war der ein oder andere schon einmal in einem Workshop mit mir dabei.
Evelyn, bei meinestadt.de bist du Teil des Corporate Strategy Teams. Im März 2020 hast du nebenbei eine Ausbildung zum systemischen Coach begonnen. Was hat dich motiviert diese Ausbildung zu machen?
Schon seit meinem Studium beschäftige ich mich mit Fragen, wie z.B. „Wer ich bin?“ „Wer möchte ich sein?“ „Wie komme ich dahin?“ und „Was sind meine persönlichen Werte, nach denen ich mein Handeln und meine Entscheidungen ausrichten möchte?“ (Side Note: Meine persönlichen Werte habe ich mittlerweile klar für mich definiert, sie uneingeschränkt in jeder Situation und Lebenslage anzuwenden, ist teilweise noch herausfordernd.) Kontinuierliches Reflektieren und Hinterfragen gehört also schon lange zu mir. Neben dem Durchwälzen von verschiedenen Büchern zu diesen Themen, habe ich dann die Welt des systemischen Coachings entdeckt und war begeistert: Es gibt wissenschaftliche Forschung und eine zertifizierte Ausbildung zu den Gedanken, die schon seit Jahren durch meinen Kopf schwirren. Deswegen war es schon lange mein Ziel, irgendwann diese Ausbildung zu machen. Dass ich dieses Ziel jetzt doch früher als gedacht angehe, war eine reine Bauchentscheidung – ich konnte es einfach nicht mehr abwarten.
Als systemischer Coach ist es meine Aufgabe gemeinsam mit dem Klienten/der Klientin (…) neue Möglichkeitenräume aufzumachen.
Mich macht es glücklich, andere wachsen und erstarken zu sehen und sie dabei zu beobachten, wie sie sich ihrem eigenen Potenzial bewusst werden. Denn genau darum geht es beim systemischen Coaching. Menschen beschweren sich oft, schaffen es nicht ihre einseitige Perspektive zu verlassen und fühlen sich dadurch machtlos (Side Note: Ich schließe mich hier nicht aus). Als systemschicher Coach ist es meine Aufgabe gemeinsam mit dem Klienten/der Klientin diese vermeintliche „Machtlosigkeit“ zu hinterfragen und neue Möglichkeitenräume aufzumachen.
Hierzu muss man zwei wichtige Ergänzungen machen. Erstens, im systemischen Coaching ist es nicht das Endziel, den einzelnen Menschen zu verändern, sondern Menschen dazu zu befähigen, Systeme durch die eigene Kraft zu verändern. Ein System kann im beruflichen Kontext zum Beispiel das gesamte Unternehmen sein, ein Team oder eine bilaterale Beziehung zwischen Kolleg:innen. Zweitens, es gilt stets die Regel „Kein Coaching ohne Auftrag!“. Man kann also weiterhin ganz normal mit mir reden und diskutieren, ohne unterschwellig gecoacht zu werden ;).
Kannst du uns einen kurzen Überblick geben, was du in der Ausbildung lernst und an welchem Punkt der Ausbildung du gerade stehst?
Das Wichtigste, dass ich in der Coaching Ausbildung lerne, ist die Verinnerlichung der Coaching-Haltung. Diese Haltung baut auf zwei Grundpfeilern auf. Der erste ist, dass man jedem Menschen mit einer unbedingten Wertschätzung begegnet. Der zweite Grundpfeiler dreht sich um das Thema Selbstwirksamkeit: Jeder Mensch trägt alles in sich, was er braucht, um gewünschte Veränderungen anzustoßen.
Ich finde, dass dies eine sehr wohlwollende und respektvolle Art ist, Menschen zu begegnen und ganz nebenbei führt diese Haltung auch zu einem gütigen Umgang mit sich selbst.
Die Anforderung an den Coach in einem Coachinggespräch ist es, diese Haltung nicht zu verlassen. Für einen Coach ist es wichtig nicht innerlich zu mutmaßen, was für das Gegenüber das Beste ist, sondern dabei zu unterstützen, sich mit seinen inneren Ressourcen zu verbinden und selbst Lösungen für sein „Problem“ zu entwickeln – diese sind nämlich die nachhaltigsten. Ich finde, dass dies eine sehr wohlwollende und respektvolle Art ist, Menschen zu begegnen und ganz nebenbei führt diese Haltung auch zu einem gütigen Umgang mit sich selbst.
Allgemein wird der Coach, oft mit dem Berater verwechselt. Es handelt sich dabei allerdings um gänzlich unterschiedliche Rollen: Ein Berater wird engagiert, wenn man einen Ratschlag möchte. Ein Coach wird engagiert, wenn man daran arbeiten möchte, sich diesen Ratschlag selbst zu geben. Macht Sinn, oder? 😉
Darüber hinaus lerne ich natürlich viele verschiedene Tools (Gesprächsführungstechniken, Ressourcenaktivierungstools, etc.) für individuelle Coachings und Teamcoachings. Diese Dinge bleiben allerdings „nur“ Beiwerk: Die Haltung ist entscheidend.
Ich bin gerade dabei, mich als eine letzte Prüfungsleistung auf eine Hausarbeit zum Thema „Impostor Syndrom“ vorzubereiten. Meine Ausbildung beende ich dann im März 2022.
Wie wurde dein Wunsch, die Ausbildung zu machen, im Team aufgefasst? Wie unterstützen sie dich dabei?
Alle im Team haben auf diese Entscheidung positiv reagiert und es gab keinerlei Bedenken oder Zweifel, ob ich die Ausbildung mit meiner Arbeit in Einklang bringen kann. Ich durfte zudem auch schon verschiedene Kolleg:innen „probe“coachen – für diese Art der Unterstützung bin ich natürlich besonders dankbar!!! 🙂
Auch vor der Ausbildung durfte ich mich mit Kolleg:innen, die die Ausbildung ebenfalls gemacht haben, austauschen. Dadurch konnte ich auch die letzten Zweifel, ob ich nicht doch noch etwas zu jung für diese Ausbildung bin, aus dem Weg räumen. Zitat eines Kollegen: „Man braucht kein bestimmtes Alter um Coach zu werden. Man braucht eine bestimmte, offene Haltung gegenüber seinen Mitmenschen.“
Die Ausbildungsmodule finden alle zwei Monate am Wochenende statt, so dass ich also maximal einen Freitag oder Montag alle zwei Monate nicht da bin. Diese Tage werden aber durch den Bildungsurlaub, der jedem Arbeitnehmenden in Deutschland zusteht, abgedeckt.
Die Finanzierung habe ich vollständig selbst geleistet!
Als angehender Coach lernt man in der Regel auch viel über sich selbst. Was ist bislang dein größtes Learning oder hattest du einen persönlichen Aha-Moment?
Ich hatte mindestens 1.542 Aha-Momente. Durch die Ausbildung lernt man unglaublich viel über sich selbst. Eine von vielen Erkenntnissen ist, dass es in der zwischenmenschlichen Interaktion im Erleben und Empfinden keine Objektivität gibt. Grundregeln wie „Menschen nehmen nicht wahr, sie geben wahr!“ oder „Der Empfänger bestimmt die Botschaft der Nachricht!“ sind Sätze, die definitiv einiges in mir ausgelöst haben. Aktionen und Reaktionen basieren auf der Untererfüllung eines oder mehrerer Grundbedürfnisse. Wenn ich mich also selbst in einer Situation befinde, in der eine Aussage oder Handlung einer anderen Person negative Gefühle in mir hervorruft, versuche ich in mich hineinzuhören und herauszufinden, warum die Handlung oder die Aussage mich verärgert. Dieses „In-Sich-Hineinhören“ setzt mich wieder in den Driver Seat und ich kann entscheiden, wie ich diese Gefühle einordne und vor allen Dingen wie ich reagiere, statt einfach nur weiterhin verärgert zu bleiben (Reiz-Reaktion-Modell).
Grundregeln wie „Menschen nehmen nicht wahr, sie geben wahr!“ oder „Der Empfänger bestimmt die Botschaft der Nachricht!“ sind Sätze, die definitiv einiges in mir ausgelöst haben.
Hilft dir das Erlernte jetzt schon in deinem Job und wie glaubst du, könntest du deine Coaching-Fähigkeiten zukünftig bei meinestadt.de einbringen?
Meine Ausbildung heißt konkret: „Systemisches Coaching und Veränderungsmanagement“. Ich lerne also nicht nur wie man Einzelpersonen coacht, sondern auch wie man Teams und ganze Organisationen bei Veränderungsprozessen begleitet.
Jeder, der schon etwas länger bei meinestadt.de ist, hat mittlerweile erkannt, dass hier ziemlich viel in kurzer Zeit passieren kann und passieren muss, damit wir erfolgreich bleiben. Veränderungen im Allgemein werden jedoch zu Beginn oft skeptisch betrachtet. Logisch: alles, was neu/anders ist, ruft erst einmal Verunsicherung hervor – das liegt in der Natur des Menschen. Die Belastung, die dabei entstehen kann, aktiv aufzufangen, abzufedern oder vorzubeugen, ist in unserer Organisation strukturell noch nicht verankert und dies, gemeinsam mit den Kolleg:innen, die gerade auch in der Ausbildung sind, anzugehen, könnte ein großer Gewinn sein.
Ich freue mich, dass der Mensch immer mehr in den Mittelpunkt von Organisationen gestellt wird (Side Note: Leider entwickelt sich dieser Trend nur in Mini Steps). Denn ohne Menschen, die in einem förderlichen Arbeitsumfeld die Möglichkeit haben, ihre Stärken voll und ganz auszuschöpfen und weiterzuentwickeln, greift die beste Strategie nicht. 🙂
Danke, für das Interview Evelyn!
Zusätzliche Infos
Für wen ist die Ausbildung geeignet?
Grundsätzlich ist die Ausbildung für jede Person geeignet, die sich für das Wachstum von Menschen und die Systemveränderung von Innen heraus, interessiert – egal in welcher Position man sich befindet, ob mit Führungsverantwortung oder ohne.